Expertenkommissionen legen Abschlussberichte vor – LMU mit Prof. Dr. Deborah Schanz, Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff und Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön vertreten
14.08.2024
Am 12.07.2024 haben die vom BMF eingesetzten unabhängigen Kommissionen „Vereinfachte Unternehmensteuer“ sowie „Bürgernahe Einkommensteuer“ ihre Abschlussberichte an den Bundesfinanzminister Christian Lindner übergeben.
Im September 2023 hat das Bundesfinanzministerium zwei unabhängige Expertenkommissionen eingesetzt, die konkrete Vorschläge für praxisnahe und politisch umsetzbare Lösungen für eine Modernisierung des deutschen Steuerrechts erarbeiten sollten.
Die von Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön geleitete Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“ hatte dabei das Ziel, umfangreiche und detaillierte Vorschläge zur Verbesserung der Besteuerung von Unternehmen zu erarbeiten. Die Bandbreite der Maßnahmen reichte dabei von der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer bis ins Umwandlungs- und internationale Steuerrecht hinein. Hinzu treten Änderungsvorschläge zum Verfahrensrecht und zur Verfahrenspraxis.
Dabei zielen die Änderungen in erster Linie auf eine Strukturreform des geltenden Unternehmenssteuerrechts ab, welches oft als ineffizient und überbürokratisch wahrgenommen wird. Um Innovationskraft und unternehmerische Flexibilität zu stärken, gelten die Verbesserungsvorschläge daher allen Steuerpflichtigen gleichermaßen – vom Start-Up bis hin zum DAX-Konzern. Auch betont die Kommission, dass mit einem flexibleren Unternehmenssteuerrecht auch ein schlankeres Verfahrensrecht einhergehen muss. Digitalisierung, Risikomanagement und kooperative Verfahrensregeln für Veranlagung und Betriebsprüfung könnten Finanzverwaltung und Unternehmen so gleichermaßen entlasten.
Letzteres war insbesondere das Kernanliegen von Prof. Dr. Deborah Schanz, Professorin für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der LMU, die die Unterarbeitsgruppe „Digitalisierung, Prozesse und Betriebsprüfung“ leitete. Zusammen mit engagierten Expertinnen und Experten aus den Unternehmen und Verwaltungspraxis konnten über die vergangenen Monate innovative und vielversprechende Vorschläge erarbeitet werden.
Zentral für diesen Bereich ist der Auf- und Ausbau eines risikoorientierten Ansatzes, der beispielsweise einem "Ampelsystem“ folgen könnte. Zudem sollen Freistellungs- und Erstattungsverfahren sowie Antragsprozesse aller Art entbürokratisiert werden. Dies ist insbesondere im Bereich der Quellensteuern, aber auch etwa bei Maßnahmen zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung dringend erforderlich. Weiter plädiert Prof. Dr. Schanz für eine Neukonzeption der Sachzuwendungsbesteuerung, die mit anderen Rechtsgebieten wie dem Sozial- und Arbeitsrecht harmonisiert werden soll.
Auch das Thema Betriebsprüfung stand selbst „auf dem Prüfstand“: Hier regte die Kommission an, schneller Rechtssicherheit für die Steuerpflichtigen zu schaffen, Zuständigkeiten zwischen Bundes- und Landesprüfern stärker zu regeln sowie die Digitalisierung in diesem Bereich zu stärken. Zuletzt soll das Verfahren zur Berichtigung von Steuererklärungen, insbesondere prüfungsbegleitender Art, deutlich vereinfacht werden. Strafrechtliche Risiken bei solchen Korrekturen müssen nach Möglichkeit vermieden werden.
Die Kommission „Bürgernahe Einkommensteuer“ wurde von Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff, Leiter des Zentrums für Digitalisierung des Steuerrechts der LMU, geleitet. Sie stellt die Bedürfnisse der Steuerpflichtigen in den Mittelpunkt, damit diese unbürokratisch ihren steuerlichen Pflichten nachkommen können. Entlastungsmöglichkeiten sieht die Kommission dabei durch eine Reduzierung von Antragsveranlagungen, die Schaffung einer Amtsveranlagung, Entlastungen bei Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sowie eine stärkere Steuererhebung an der Quelle.
Die Vorschläge der Kommission umfassen unterschiedliche Themengebiete und richten sich an verschiedene Gruppen von Steuerpflichtigen:
So sollen insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen von Bürokratie entlastet werden. Die Kommission empfiehlt hierzu beispielsweise die Anhebung der Grenzen für eine vereinfachte Gewinnermittlung, die Nutzung prozentualer Betriebsausgabenpauschalen sowie eine Vereinfachung der Abschreibungsregelungen für geringwertige Wirtschaftsgüter.
Auch Arbeitnehmer und Rentner sollen von Vereinfachungen profitieren. Zuvorderst ist hier die Einführung einer „Arbeitstagepauschale“ zu nennen, die Werbungskosten für Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte, Home-Office und das häusliche Arbeitszimmer in Höhe eines fixen Euro-Betrages pro Arbeitstag zusammenfassen soll. Weiter sollen in Zukunft alle Renteneinkünfte einer Rentenabzugsteuer unterliegen, die von den Versorgungsträgern einbehalten wird.
Auch die Kommission „Bürgernahe Einkommensteuer“ verweist auf die Schlüsselrolle der Digitalisierung, mit der sie sich intensiv auseinandergesetzt hat. Hemmnisse, wie die fehlende Bündelung der Kompetenzen, die Aufrechterhaltung von Insellösungen und ressortspezifischen Programmierungen sowie das Fehlen einer übergreifenden Digitalisierungsstrategie für das Besteuerungsverfahren müssten dringend abgebaut werden. Dann sei auch beispielsweise eine vollautomatisierte Veranlagung in bestimmten Bereichen (z.B. Arbeitnehmer) perspektivisch denkbar.
Mit der Übergabe an den Bundesfinanzminister liegt die Umsetzung der Vorschläge nun in der Hand des Gesetzgebers. Mit Blick auf die Zukunft fasst Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön, Direktor des Max-Planck-Instituts für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen sowie Honorarprofessor der LMU München, der die Kommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“ geleitet hatte, zusammen: „Zur tatsächlichen gesetzgeberischen Umsetzung ist es bei fast allen in diesem Bericht enthaltenen Empfehlungen nur noch ein kleiner Schritt. Ihn zu gehen, steht in der Verantwortung der gesetzgebenden Instanzen in Bund und Ländern. Die Kommission wünscht der Politik den Mut, sich der Aufgabe einer grundlegenden Reform des Unternehmenssteuerrechts zu stellen.“
Prof. Dr. h.c. Rudolf Mellinghoff, Leiter der Expertenkommission "Bürgernahe Einkommensteuer"
Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Schön, Leiter der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“
Mitglieder und Mitgliederinnen der beiden Expertenkommission bei der Übergabe der Abschlussbericht an Bundesfinanzminister Christian Lindner