Gesund digital Leben
Bayerischer Forschungsverbund „ForDigitHealth“ (Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst)
Bayerischer Forschungsverbund „ForDigitHealth“ (Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst)
Ist Technostress ansteckend?
Durch die Digitalisierung entstehen zahlreiche Vorteile für Individuen, Unternehmen und die Gesellschaft, wie beispielsweise erhöhte Produktivität, gesunkene Transaktionskosten, bessere Informationen und höhere Lebensqualität. Daneben ergeben sich durch die intensive Nutzung von digitalen Technologien allerdings vielfältige Veränderungen, die nur schwer abschätzbare Gefahren bergen, wie Auswirkungen auf die psychische und körperliche Gesundheit.
Ein Kernproblem ist Technostress, der durch zahlreiche Belastungsfaktoren ausgelöst werden kann. Dazu gehören beispielsweise das Gefühl der ständigen Erreichbarkeit, die Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben und die Informationsüberflutung. Technostress kann im beruflichen Kontext bei Mitarbeitenden zu Burnout-Symptomen führen und bei Unternehmen, aufgrund von Produktivitätseinbußen, Schäden in Millionenhöhe auslösen.
Als Ursache für Technostress hat die bisherige Forschung Eigenschaften rund um das Informationssystem (z.B. komplexe Bedienung) untersucht und sich dabei auf einzelne Personen und ihr jeweiliges Stressverhalten konzentriert. Typischerweise handeln und arbeiten Personen aber sozial eingebettet und ein Großteil der Arbeit geschieht im Team, so dass sich die Frage stellt, ob Technostress auch ansteckend sein kann.
Ziel dieses Projektes ist es, Art und Wege einer möglichen „Ansteckung“ von stressinduzierten Emotionen zwischen Mitarbeitenden so genau zu ergründen, dass das zusätzliche intersubjektive digitale Stresspotential erkennbar wird.
Innerhalb des Forschungsverbunds haben wir zahlreiche Ergebnisse erarbeitet zu den Fragen: „Was ist Technostress?“, „Was sind Ursachen und Folgen?“ und „Was können wir dagegen tun?“(https://gesund-digital-leben.de/)
Unsere Forschung im Bereich Technostress zeigt, dass Technostress auch positive Auswirkungen haben kann, wenn das jeweilige Individuum ihn als „Challenge“, also als Herausforderung und Möglichkeit zu wachsen begreift. Insbesondere im Bereich IT-Nutzung konnten wir zeigen, dass erst die Herausforderung dazu führt, dass Individuen IT innovativ nutzen und über ihre üblichen Routinen hinauswachsen. Hierbei gelang uns die Identifikation verschiedener Persönlichkeitsprofile, welche besonders anfällig für Technostress sind und inwiefern Mindfulness-Ansätze eine effektive Strategie für den Umgang mit Technostress sind.
Wir konnten ebenfalls empirisch und theoretisch zeigen, was gegen Technostress hilft. Technostressintervention erfordern einen multidimensionalen Ansatz, der sowohl technologische, soziale, als auch kulturelle Maßnahmen umfasst. Die Auswahl der einzelnen Intervention hängt hierbei nicht nur davon ab, inwiefern die Wahrnehmung eines Technostressors verringert wird, sondern zugleich wie möglicherweise andere Technostressoren aufgrund der Intervention verstärkt wahrgenommen werden. Wir empfehlen Unternehmen, die geeignete Maßnahmen ergreifen wollen, „Quick-Win“- Strategien mit Fokus auf einzelne Interventionen zu vermeiden. Vielmehr sollte bewusst auf mehrere Interventionen gesetzt werden. Dies umfasst insbesondere auch soziale und kulturelle Interventionen. Denn auch wenn nicht alle Interventionen für jede Person greift, so wertschätzen die Mitarbeitenden doch den Einsatz des Unternehmens für ihre Gesundheit.
Innerhalb unseres Projektes haben wir uns vor allem auch mit der Frage beschäftigt, ob Technostress ansteckend sein kann. Technostress kann in der Tat ansteckend sein, z.B. im engen beruflichen Umfeld. Die Ansteckung kann durch Aufnehmen der Emotionen (emotionale Ansteckung) und Probleme (kognitive Ansteckung) anderer erfolgen. Einer emotionalen Ansteckung kann man kaum etwas entgegensetzen, da sie automatisch passiert, wenn man seinem engeren sozialen Umfeld mit Empathie und Sympathie begegnet. Häufig kann nur das bewusste Distanzieren von der eigenen emotionalen Reaktion auf andere dem durch Ansteckung entstandenen Technostress entgegenwirken. Bei einer kognitiven Ansteckung kann es helfen, sich ein gestärktes Selbstvertrauen in die eigenen IT-Fähigkeiten anzueignen und sich bewusst zu machen, dass man selbst der Situation gewachsen ist und den Problemen Anderer nicht hilflos ausgeliefert ist.
Wir ermöglichen mit unseren Ergebnissen verschiedenste zukünftige Forschungsoptionen und skizzieren offene Fragen: Mündet gegenseitige Stressansteckung in einer Digitalen-Stress-Spirale? Gibt es organisationale und kulturelle Faktoren in Unternehmen, die digitalen Stress eher ansteckend machen? Welcher Personentyp ist für welche Art der Ansteckung mehr oder weniger anfällig? Welchen Zusammenhang gibt es zwischen den beiden Ansteckungsarten? Inwieweit kann auch positiver Technostress ansteckend sein? Mit solchen Fragen werden wir uns in Zukunft beschäftigen.
Das Projekt ist Teil des Bayerischen Forschungsverbunds „ForDigitHealth“, finanziert durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst